Denken Sie einmal darüber nach, was Sie in stressigen Situationen im Job über sich denken. Also in Situationen, in denen Sie sich ärgern, wütend oder enttäuscht sind, oder sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen. Nehmen Sie eine kritische, bewertende Haltung oder eine Haltung voller Selbstmitgefühl und Freundlichkeit ein?

Angewohnheit der Selbstkritik

Eine Klientin im Business Coaching beschrieb mir dies einmal so, dass sie in Meetings nach außen hin völlig ruhig und gelassen wirkend, sich innerlich beschimpfte. Ihrer Meinung nach hätte Sie selbstbewusster auftreten, die Fragen anders beantworten sollen und überhaupt wäre sie nicht geeignet für diesen Job. Sprachlich übertragen sagte Sie sich innerlich Sätze wie „Du erzählst nur Quatsch. Was ist nur los mit dir, dass du das nicht hin bekommst?“ Auf die Rückfrage, ob sie das von den Kolleg:innen gespiegelt bekommen hat, kam ein: „Nein, die sagen mir, dass ich meinen Job sehr gut mache.“ Woher kommen nun also diese Haltung?

Viele von uns haben die Angewohnheit, sich als mangelhaft, unzureichend oder ungenügend einzustufen. Der innere Kritiker treibt uns durch den Perfektionismus an, die Leistungsgesellschaft gibt vor nur das/der/die Beste ist gut genug und die Freundlichkeit uns gegenüber bleibt auf der Strecke. Wie kann man nun aus dieser gewohnten Erfahrung der negativen Bewertungen aussteigen?

Sich gut fühlen durch Selbstmitgefühl

Zuerst einmal fühlt es sich einfach nur schlecht an, wenn man sich innerlich beschimpft. Richtig? Würden Sie so auch mit ihren Freunden, ihrem Partner oder ihren Kindern sprechen? Das wohl eher nicht. Da sind Sie unterstützend, ermuntern und relativieren Geschehenes. Das heißt, Sie wissen bereits, wie man positiv mit anderen Menschen spricht. Wenden Sie dies nun für sich selbst an. Die Kraft des Selbstmitgefühls kann Sie ihren Zielen näher bringen, kann Sie im Job und im Alltag unterstützen und fühlt sich einfach besser an.

Selbstmitgefühl üben

Wie können wir Selbstmitgefühl in unser Leben integrieren? Beobachten Sie, wie Sie gedanklich mit sich selbst sprechen. Welche der Sätze sind unterstützend und welche geben Ihnen ein schlechtes Gefühl? Beginnen Sie so mit sich zu sprechen, wie Sie mit einer lieben Freundin oder einem lieben Freund sprechen würden. Nehmen Sie eine Haltung der Freundlichkeit sich selbst gegenüber ein und durch die eigene Beobachtung, bekommen wir ein besseres Verständnis, was in uns vorgeht.

Selbstmitgefühl besteht laut Kristin Neff (Professorin für Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung an der Universität Austin, Texas) aus 3 Komponenten:

  1. Achtsamkeit: Präsent sein und beobachten, welche Gefühle in mir aufsteigen und welche schwierigen Gedanken da sind – ohne in die Bewertung zu gehen.
  2. Geteilte Menschlichkeit: Fehler zu machen und nicht perfekt zu sein ist zutiefst menschlich, also eine Erfahrung die alle Menschen machen. Sich dies bewusst zu machen, kann die Last nehmen, dass es nur mir so geht.
  3. Selbstfürsorge: Verständnis für mich aufbringen und gut mit mir sprechen

Mehr Gelassenheit im Job durch Selbstmitgefühl

Es ist wichtig in diesem Prozess der Veränderung der eigenen Gedanken-Sprache geduldig mit sich selbst zu sein und sich daran zu erinnern, dass es schwierig sein kann diesen inneren Kritiker leiser werden zu lassen. Jedoch gelingt dies mit dem Üben des Selbstmitgefühls und einer Haltung der Freundlichkeit uns selbst gegenüber.

Wenn Sie sich mit sich selbst freundlicher umgehen, sind Sie womöglich eher gewillt in Meetings das Wort zu ergreifen, eine andere Meinung zu vertreten oder Dinge zu riskieren, die Sie aufgrund der einschränkenden Gedanken bisher nicht gewagt haben.

Beispielsweise wenn ihr innerer Kritiker Sie bewertet, dass sie bei Präsentationen zu nervös sind und dies nicht gut machen, werden Sie nicht gerne vor anderen sprechen. Wenn Sie nun mit einer selbstmitfühlenden Haltung in die Präsentation gehen und sich beispielsweise sagen „Ich bin nervös, Fehler zu machen ist menschlich und ich erlaube mir Versprecher zuzulassen“, fühlt sich dies ganz anders an.

Freundlich mit sich umzugehen und Selbstmitgefühl zu entwickeln ist eine wichtige Fähigkeit im Job, um gelassen den Arbeitsalltag zu meistern oder sogar Neues zu wagen.